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Wer wird am Ende dieses Jahres nicht erleichtert aufatmen und sich denken, Strich drunter, auf ein Neues! 2020 stand im Zeichen des neuartigen Corona-Virus, das zu einer Pandemie mit Millionen Infizierten und Toten geführt hat, zu weitreichenden ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen und kaum vergleichbaren Einschränkungen des öffentlichen Lebens, besonders in Frankreich. Ein Stresstest für das seit Jahren unter Druck stehende Gesundheitssystem, ebenso wie für die Demokratie, die auf dem schmalen Grat zwischen Gesundheitsschutz und individuellen Freiheiten balancieren muss. Das Jahr 2020 war in jeder Hinsicht ein Ausnahmejahr für Menschen in Frankreich und für die politischen Verantwortungsträger und -trägerinnen.

Ein Blick zurück auf die entscheidenden Momente.

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WINTER 2020
Das Jahr beginnt so wie das alte geendet hatte: Auf den Straßen wird noch immer gegen die geplante Rentenreform gestreikt, doch auch wenn die Regierung in einigen Punkten einlenkt, fordern die Streikenden den vollständigen Rückzug der Reform. Als Ende Januar die ersten Fälle des neuartigen Corona-Virus in Frankreich gemeldet werden, ahnt noch niemand, dass Frankreich schnell zu einem der am stärksten betroffenen europäischen Länder werden wird.

CHRONOLOGIE

Corona kommt nach Frankreich: Am 24. Januar werden die ersten drei Fälle von Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus (SARS-CoV-2) in Frankreich registriert. Bis zum Jahresende werden sich knapp 2,5 Millionen Franzosen infiziert haben und über 60.000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus gezählt werden.

Affäre im Wahlkampf: Am 16. Februar tritt die damalige französische Gesundheitsministerium Agnès Buzyn zurück, um als Kandidatin für die Pariser Bürgermeisterwahl ins Rennen zu gehen, nachdem der ursprüngliche Kandidat der Macron Partei LaRem Benjamin Griveaux wegen einer Sextape-Affäre zurückgetreten war. Später wird Buzyn zu Protokoll geben, sie habe den damaligen Premierminister Philippe rechtzeitig vor dem „Tsunami“ gewarnt, der durch Corona auf Frankreich zurollen werde. Dennoch wird gegen Buzyn im Juli ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil ihr Versäumnisse bei der Pandemie-Bekämpfung vorgeworfen werden. Als Bürgermeisterin von Paris wird die amtierende Sozialistin Anne Hidalgo wiedergewählt.

Frauen erheben sich: Als am 28. Februar in Paris der französische Filmpreis „Les Césars“ verliehen wird, kommt es zum Eklat, nachdem Roman Polanski als bester Regisseur ausgezeichnet wird. Da dem Künstler in mehreren Fällen Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen wurde, hatten Frauenrechtlerinnen bereits zum Boykott von Polanski-Filmen aufgerufen. Die engagierte Schauspielerin Adèle Haenel verlässt nach der Jury-Entscheidung den Saal, die Schriftstellerin Virginie Despentes schreibt darüber eine vielbeachtete Kolumne. Die feministische Bewegung rund um das Kollektiv #NousToutes bleibt in Frankreich das ganze Jahr über sichtbar und aktiv.

Anfang März steigen die Zahlen der an Covid-19 Erkrankten sprunghaft an und nach immer massiveren Einschränkungen des öffentlichen Lebens, tritt am 17. März eine landesweite Ausgangssperre, das „confinement“ in Kraft, die fast zwei Monate lang andauern wird. Emmanuel Macron spricht in einer Fernsehansprache vom Krieg gegen einen unsichtbaren Feind. Während der Ausgangssperre sind Franzosen und Französinnen verpflichtet, Bescheinigungen zum Verlassen der Wohnung auszufüllen. Alle nicht lebenswichtigen Geschäfte und Einrichtungen bleiben geschlossen. An jedem Abend wird an den Fenstern um 20 Uhr den Ärztinnen und Pflegern mit Applaus gedankt. 

Trotz der angekündigten Corona-Maßnahmen wird am 15. März die erste Runde der Kommunalwahlen abgehalten (s. Debatte).

FRÜHJAHR 2020
Während der wochenlangen Ausgangssperre im Frühjahr prägen Unsicherheit und Ängste das Land. In der Kritik steht vor allem der Zickzack-Kurs der Regierung bei der Frage nach Sinn- oder Unsinn von Alltagsmasken, sowie der eklatante Mangel an Masken für das medizinische Personal. Frankreich wird zu einem der am meisten von der Pandemie betroffenen Länder, das allein in der ersten Welle über 30.000 Tote zu beklagen hat. Krankenhäuser geraten an ihr Limit. Daneben entsteht eine deutsch-französische Initiative zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas, die mit einer gemeinsamen europäischen Schuldenaufnahme einen historischen Wendepunkt einläutet.

CHRONOLOGIE

Ausgangssperre ohne Ende: Noch immer gilt landesweit das „confinement“, das zunächst bis zum 15. April, dann nochmals bis zum 11. Mai verlängert wird.

Grenze dicht! Sechst Monate nach der Ratifizierung des Aachener Vertrags zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im November 2019 zwischen Deutschland und Frankreich schließt Deutschland ab 16. März einseitig die Grenze zu Frankreich aufgrund der dramatischen Corona-Situation dort.

Europa in der Pflicht: Am 18. Mai 2020 präsentierten Deutschland und Frankreich eine aus 19 Maßnahmen bestehende Initiative zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas nach der Corona-Krise. Kernelement ist die Einrichtung eines Fonds zur wirtschaftlichen Erholung auf EU-Ebene für Solidarität und Wachstum. Die EU-Kommission greift im Mai die Idee unter dem Namen „Next Generation EU“ auf, die schließlich am 21. Juli vom Europäische Rat als ein Aufbauplan mit einem Gesamtvolumen von 750 Mrd. Euro beschlossen wird. Darin wird zum ersten Mal die Möglichkeit einer gemeinsamen Verschuldung der EU festgeschrieben.

SOMMER 2020
Im Sommer, als die Pandemie ein kurzes Aufatmen zuließ, schwappte die Black Lives Matter Debatte nach Frankreich und es kam zu Protesten mit auffällig vielen jungen, bislang kaum politisierten Menschen. Daneben versuchte die Regierung ihre angeblich verstärkten Anstrengungen in Sachen Klimaschutz öffentlich zu inszenieren. Der Bürgerkonvent für das Klima wurde medienwirksam in den Élysée-Palast geladen.

CHRONOLOGIE

Am 28. Juni findet die zweite Runde der Kommunalwahlen statt, wenngleich die meisten Ergebnisse bereits nach der ersten Runde absehbar waren, wie die Erfolge der Grünen in den urbanen Zentren.

Die große Klima-Show im Elysée: Am 29. Juni werden die Ergebnisse der „Convention citoyenne pour le climat“ vorgestellt. Am gleichen Tag wird das Atomkraftwerk in Fessenheim nahe der deutschen Grenze nach 43 Betriebsjahren abgeschaltet. 

Anfang Juli kommt es zu einer Regierungsumbildung. Am 03. Juli tritt Premierminister Édouard Philippe zurück und wird von Jean Castex abgelöst, obwohl sich Philippe großer Beliebtheit erfreut. Beobachter sehen darin eine Machtgeste Macrons, der keinen starken Premier an seiner Seite dulde. Castex hatte sich im Frühjahr von sich reden machen, da er die Phase nach dem Ende der Ausgangssperre für die Regierung orchestrierte

Am 28. Juni findet die zweite Runde der Kommunalwahlen statt, wenngleich die meisten Ergebnisse bereits nach der ersten Runde absehbar waren, wie die Erfolge der Grünen in den urbanen Zentren.

Die große Klima-Show im Elysée: Am 29. Juni werden die Ergebnisse der „Convention citoyenne pour le climat“ vorgestellt. Am gleichen Tag wird das Atomkraftwerk in Fessenheim nahe der deutschen Grenze nach 43 Betriebsjahren abgeschaltet. 

Anfang Juli kommt es zu einer Regierungsumbildung. Am 03. Juli tritt Premierminister Édouard Philippe zurück und wird von Jean Castex abgelöst, obwohl sich Philippe großer Beliebtheit erfreut. Beobachter sehen darin eine Machtgeste Macrons, der keinen starken Premier an seiner Seite dulde. Castex hatte sich im Frühjahr von sich reden machen, da er die Phase nach dem Ende der Ausgangssperre für die Regierung orchestrierte.  

HERBST - JAHRESENDE 2020
Im September beginnt nach über fünf Jahren nach den Anschlägen der Charlie Hebdo-Prozess. Im Zuge dessen wird Frankreich von einer neuen Welle islamistischen Terrors getroffen. Im Herbst wird schnell klar, dass eine zweite Welle der Corona-Pandemie kaum noch aufzuhalten ist. Die Zahlen steigen in kurzer Zeit rasant an, so dass die Regierung sich gezwungen sieht, erneut harte Maßnahmen zu ergreifen. Daneben erhitzt die Debatte um ein neues Sicherheitsgesetz die Gemüter, das Problem der Polizeigewalt bleibt wie im letzten Jahr akut.

CHRONOLOGIE

Neue Terrorwelle: Auftakt des Prozesses um die Unterstützer der Attentate auf die Satirezeitung Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt fünf Jahre danach. Es kommt zu einer erneuten Welle von Anschlägen, unter anderem vor den ehemaligen Redaktionsgebäuden der Satirezeitung. Am 16. Oktober wird der Geschichtslehrer Samuel Paty in der Kleinstadt Conflans-Sainte-Honorine in der Nähe seiner Schule geköpft. Am 29. Oktober tötet ein Islamist bei einer Messerattacke in der Basilika Notre-Dame in Nizza drei Menschen.

Neue Ausgangssperre: Am 30. Oktober beginnt die zweite landesweite Ausgangssperre.

Bitte nicht filmen! Mit dem geplanten Sicherheitsgesetz „Loi pour la sécurité globale“ sollen Polizisten und Polizistinnen besser geschützt werden, doch das Verbot von Filmaufnahmen bei Polizeieinsetzen könnte die Pressefreiheit in Gefahr bringen. Deswegen demonstrieren im November und Dezember zehntausende gegen das geplante Gesetz.


Am 02. Dezember stirbt der ehemalige französische Präsident Giscard d’Estaing im Alter von 94 Jahren an den Folgen von Covid-19. Kurz vor Weihnachten erkrankt auch der derzeitige Präsident Emmanuel Macron am Corona-Virus, führt jedoch aus der Quarantäne heraus bislang die Amtsgeschäfte weiter.

AUSBLICK 2021
Gibt es nach diesem von der Pandemie geprägten Jahr auch Chancen und Mut machende Zukunftsaussichten? Eine Chance auf gewissenhafteren Umgang mit unseren Planeten? Ein größeres Bewusstsein für den Wert persönlicher Freiheiten und speziell in Frankreich, das fragil gewordene Vertrauen der Bürger in ihre Sicherheitskräfte? Eines ist sicher: von sozialer Befriedung ist das Land noch wesentlich weiter entfernt als im letzten Jahr, auch weil die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bereits jetzt ihre Schatten vorauswerfen. Doch immerhin steht Frankreich mit diesem Problem nicht allein dar. Allerdings hat sich Europa trotz einer Einigung auf ein Finanzprogramm bislang noch nicht als Kompass auf dem Weg aus der Krise erwiesen. Emmanuel Macron bleibt nur noch wenig mehr als ein Jahr, um sich als effizienter Krisenmanager zu beweisen und eine plausible Vision von einer zweiten Amtszeit zu entwickeln. Andernfalls wird Frankreichs jüngster Präsident aller Zeiten nach den Wahlen im Frühjahr 2022 den Élysée-Palast räumen müssen – wobei dann die entscheidende Frage wäre, für wen.